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Die Abstimmung zum SC-Stadion – ein Dilemma

Wenn am 1. Februar die Bürgerinnen und Bürger Freiburgs über den Neubau des SC-Stadions abstimmen sollen, sind sie mit den in der Politik ganz typischen Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung konfrontiert. Denn es gilt, aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Faktoren, Parametern und Gutachten mit zum Teil sehr widersprüchlichen Aussagen die vermeintlich richtige Entscheidung zu treffen. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass es keine differenzierte Abstimmungsmöglichkeiten gibt, so dass man das vorliegende Gesamtpaket leider nur in Gänze ablehnen oder annehmen kann, ganz nach dem Motto ‚Vogel, Friss oder stirb‘. Alle müssen sich zudem im Klaren sein, dass es in dieser Frage kaum gesichertes Wissen gibt, auf dessen Basis man eine rein rationale Entscheidung treffen könnte und dass die Emotionen in der Debatte beherrschend sind, was angesichts des Abstimmungsobjekts nicht überrascht, da der ganze Betrieb eines Vereins wie dem SC darauf ausgelegt ist, die Herzen und Gemüter der Menschen zu bewegen.

Je näher die Abstimmung rückt und je mehr der Wahlkampf tobt, desto unklarer wird das Bild, denn Vertreter aus dem Ja- und dem Nein Lager bringen immer wieder neue Informationen und Aussagen, bei denen kaum noch geprüft werden kann, ob sie jeweils wirklich belastbar sind. So haben die „Flieger“ jüngst ein Gutachten vorgestellt, laut dem der Neubau entgegen der bisherigen Darstellung der Verwaltung den Flugbetrieb sehr stark einschränken würde. Die Stadtspitze ihrerseits überrascht plötzlich mit der Ankündigung, dass der Segelflugbetrieb nun doch weitergeführt werden könne, was die Segelflieger jedoch mit Verweis auf die Sicherheit ablehnen. Und dann kommt plötzlich der Klimagutachter, Professor Mayer, der dem Neubau nun doch negative umweltmeterologische Auswirkungen attestiert. Egal, ob es um Klima, Verkehr, Lärm, Naturschutz oder Flugbetrieb geht, scheinen beide Seiten sich jeweils auf Expertisen anerkannter Gutachter und Experten stützen zu können, so dass es für den Ottonormalverbraucher unmöglich scheint, die Standortfrage abschließend bewerten zu können und zu einem richtig oder falsch zu gelangen.

So bleibt die Frage nach der Finanzierung dieses Megaprojekts, was laut Angaben der Stadt vermutlich 117 Millionen Euro netto kosten wird. Davon werden immerhin direkt 58 Millionen Euro der öffentlichen Hand und damit dem Steuerzahler aufgebrummt. Auch der viel gepriesene Einstieg der Rothaus Brauerei mit einer stillen Einlage von 12,78 Millionen ändert daran nichts grundsätzlich, da zwar die finanzielle Last beim Sportclub sinkt, aber dafür die Neue Messe einen neuen Kredit aufnehmen muss, der bedient werden will. Somit handelt es sich auch hier in erster Linie um einen typischen Verschiebebahnhof (Kapitalentnahme auf der einen und Kapitalzuführung auf der anderen Seite), mit dem man das Projekt in ein besseres finanzielles Licht zu rücken versucht, da das spotlight ja auf dem SC und nicht der Neuen Messe ruht. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand zusätzlich zu den 58 Millionen für die noch aufzunehmenden Kredite bürgen muss und damit auch vollständig das Risiko für den sportlichen Erfolg trägt. Schließlich ist mit Blick auf andere Großprojekte die Befürchtung nicht ganz von der Hand zu weisen, dass es nach dem Start des Projekts über die Jahre hinweg wie so oft zu unerwarteten Kostensteigerungen kommt, die man heute natürlich noch nicht beziffern kann.

Unter dem Strich konzentriert sich die Finanzierungsproblematik auf die Frage, ob es wirklich Aufgabe des Staates ist, das Milliardengeschäft Fußballbundesliga zusätzlich mit öffentlichen Geldern zu subventionieren. Dabei sollte man auch nicht vergessen, dass schon allein bei den gigantischen Umsätzen durch die Fernsehvermarktungsrechte alle Rundfunkgebührenzahler die Maschinerie der Bundesliga mit ihren Beiträgen füttern, mit denen schlussendlich auch die zum Teil abenteuerlich hohen Transfersummen auf dem Spielermarkt ermöglicht werden. Die Politik wäre in diesem Zusammenhang gut beraten, nicht einerseits in der Theorie Schuldenabbau, Haushaltsdisziplin und die Rückbesinnung auf  die Kernaufgaben des Staates zu fordern, aber in der Praxis dann permanent dagegen zu verstoßen. Hier hilft auch nicht der Fingerzeig auf andere Städte, die schließlich auch und womöglich noch viel mehr Subventionen leisten. Denn wenn man nur auf andere schaut, dann prolongiert man Fehlverhalten ins unendliche. Gerne wird auch das Argument ins Feld geführt, dass ein solcher Sportverein schließlich auch ein wichtiger Gewerbesteuerzahler sei und die Stadt maßgeblich davon profitiere. Das greift aber insoweit zu kurz, alldieweil dann alle Gewerbesteuerzahler im Prinzip für all ihre Investitionen Subventionen für sich in Anspruch nehmen könnten. Denn mit welchem Recht sagen wir denn, dass Handwerksbetriebe, Industriebetriebe oder Dienstleister, die für Arbeitsplätze und Gewerbesteuern sorgen, selbst schauen müssen, wo sie bleiben, aber umgekehrt einen Sportverein mit gewaltigen Summen stützen. Etwas drastischer formuliert passiert hier nichts anderes, als dass wir uns unser eigenes Vergnügen, den Stadionbesuch am Wochenende, von der öffentlichen Hand finanzieren lassen, die damit entweder auf andere Projekte verzichten oder eben neue Schulden zu Lasten kommender Generationen aufnehmen muss.

Realistisch betrachtet wird man aus dieser unglücklichen Subventionsspirale vermutlich nicht von heute auf morgen aussteigen können. Gleichwohl fehlt es an der Anstrengung, diesen Prozess ernsthaft zu betreiben. In Freiburg hätte der Kompromiss lauten sollen, dass der Sportclub zumindest den Stadionkörper vor Ort selbst bezahlt und die öffentliche Hand sich auf die Bereitstellung von Infrastruktur als Zuführung zum Stadion beschränkt. Dann hätte man der Finanzierung vermutlich zustimmen können.

Abschließend sind viele Dinge gegeneinander abzuwägen. Da sind ohne Zweifel die Freude am Fußball, die Sympathie für den SC, die Jugendarbeit, die regionale Identität und Wertschöpfung sowie der Wunsch und die oft besprochene Notwendigkeit für ein neues Stadion. Auf der anderen Seite stehen die Unsicherheiten des Standorts, die Zweifel nicht nur an der Finanzierung, sondern auch daran, ob man die Alternativen wirklich ernsthaft verfolgt und diese nicht nur auf einfache Weise beiseite gewischt hat, um das von der Stadtspitze und  dem SC gewünschte Ziel durchzudrücken. So spricht am Ende im Abwägungsprozess vieles für ein Ja am 1. Februar, aber unterm dem Strich noch mehr für ein Nein.

 

7 Responses
  • NvGayling
    18. Januar, 2015

    OK, Sascha. Ist in Ordnung, wenn die Finanzierung ausschlaggebend für ein „Nein“ wird.
    Mein „Nein“ begründe ich allerdings hauptsächlich mit dem Standort. Und weil es mehrere andere Standorte gäbe, wenn man nur will. Und weil bei einem so Riesen-Projekt es immer Finanzprobleme geben würde.

  • Dietrich Voelker
    18. Januar, 2015

    Fuer mich bleiben die standortbezogenen Kritikpunkte auf jeden Fall bestehen.
    Diese sehe ich als unabhaengig von einer moeglichen Verlagerung derSegelflugbahnen.
    Was mich persoenlich aber zunehmend aergert, ist, dass mit einer Forderung nach einer oeffentlichen Buergschaft begonnen wird, damit man an die so billigen Kommunalkredite herankaeme und nunmehr die Last der Realisierung sich bei einer staedtischen Objektgesellschaft sich wiederfindet. Dazu noch ein Verschiebebahnhof in Schattenhaushalte.
    Dann wird das Ganze noch mit der Aussage des fuer Finanzen zustaendigen Buergermeisters durch ihn selbst garniert, dass man ja gar nicht sagen koenne, was der Spass koste. Allfaellige Risiken, wie das Anschneiden des Scherbellinos noch nicht mal eingerechnet.
    Dieses Armutszeugnis, selbst durch die Stadtspitze ausgestellt, hat schon was Dreistes.

    • Rainer Pachner
      19. Januar, 2015

      Ein guter Diskussionsbeitrag, Sascha! D´acordo!
      Mein Nein – bei aller Liebe zum SC – bestimmt darüberhinaus das Argument, dass die Stadt in Sachen Kultur eine zum Teil erbärmliche Politik macht. Die Auflösung des SWR-Orchesters ist hier nur die Spitze des Eisbergs. Man man die Millionen halt woanders einsetzt…

  • Thorsten
    26. Januar, 2015

    Für mich als Unternehmer ist es auch etwas verwunderlich, wieso ein solide arbeitendes Unternehmen, welches auch jährlich einen ordentlichen Gewinn erwirtschaftet, wie es der SC tut, in so beträchtlicher Höhe von Seiten der Stadt oder Land unterstützt werden soll.
    Ich bin ein SC Fan seit meiner Kindheit und auch häufig im Stadion aber diese Summen welche hier im Raum stehen, stehen für mich in keinem Verhältnis. Zumal diese Summen nur Schätzungen sind und man hat je bereits eine Erfahrungen was Schätzungen am Ende für eine Rechnung ergeben…

  • Wolfgang Weuthen
    28. Januar, 2015

    Sehr geehrter Herr Fieck,

    die Art und Weise wie von allen Seiten in dieser Angelegenheit mit Zahlen umgegangen wird, ist der Sache leider nicht zuträglich. Auch Ihre 58 Mio vermag ich nicht nachzuvollziehen. Bitte berücksichtigen Sie, dass nicht alle Parteimitglieder und Bürger sich seit langem mit dem Stadionbau beschäftigen! Können Sie die bitte mal erläutern oder kann man die Kosten irgendwo nachvollziehen? (damit meine ich nicht den Gesinnungsaufsatz der Verwaltung, der als Anlage 3 dem Gemeinderatsbeschluss beigefügt war). Ist z. B. der Wert des durch die Stadt einzubringenden Grundstückes in Ihrer Rechnung enthalten?

    • Sascha Fiek
      29. Januar, 2015

      Sehr geehrter Herr Weuthen,
      die 58 Millionen Euro beziehen sich auf die Angaben der Stadt Freiburg in der Drucksache der Verwaltung (nicht der Anlage 3, sondern der Vorlage an sich). Dabei entfallen 38 Millionen auf die Infrastruktur aus dem städtischen Haushalt, 9 Millionen auf Infrastruktur durch weitere Institutionen der öffentlichen Hand ( z.B. Bund, Universität oder die städtische Gesellschaft FWTM ) und 11 Millionen auf den avisierten Landeszuschuss für den Stadionkörper. Alle näheren Informationen und Angaben finden Sie auch unter http://www.saschafiek.de/2014/10/12/wie-teuer-wird-das-sc-stadion-in-freiburg-wirklich/ .
      Das Grundstück ist in diesen Zahlen genausowenig eingerechnet wie eventuelle Kostensteigerungen. Somit stellen meine hier im Blog dargestellten Zahlen sicherlich den niedrigst denkbaren Wert dar. Aber ich habe bewusst darauf verzichtet, irgendwelche „Horrorzahlen“ zu erfinden, die dann nicht belegbar wären, sondern nehme nur die von der Stadt veröffentlichten Zahlen. Der Grundstückswert wird von der Stadt bislang nicht angegeben, weil der Wert angeblich nicht ermittelbar sei , bis die Entscheidung durch die Bürgerschaft gefallen ist.
      Viele Grüße
      Sascha Fiek

  • Matthias
    28. Januar, 2015

    Ich bin gegen das Stadion im Wolfswinkel, es wird so vieles einfach hinweggewischt. Die Stadt schiebt nur den SC voran, aber in Wirklichkeit hofft sie darauf, das der Flugbetrieb eingestellt wird und sie das Flugplatzgelände an Immobilienhaie verschleudern kann. Der OB Salomon ist ganz vernarrt darin, die Stadt und den SC Freiburg vollends auszunehmen. Meiner Meinung nach ist er und seine Kumpanen einfach pervers. Und was Greenpeace betrifft, die liegen schon jahrelang im Rechtsstreit mit der Stadt Freiburg und der OB hat auch eigenmächtig eine schon genehmigte Ausstellung über die Palästinenser im besetzten Gebiet abgeblasen. Es ist rundum unerträglich. Der SC Freiburg wird nicht mehr auf die Beine kommen, wenn er sich nicht vollkommen von der Stadt lossagt. Überhaupt braucht Freiburg dringend eine neue Führung, sonst kommen die schnell mit dem nächsten irren Wahnsinnsprojekt daher.

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