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Kein Haushalt für die Zukunft

Anlässlich der Haushaltsberatungen in Freiburg zum Doppelhaushalt 2019/2020 habe ich in der Generaldebatte folgende Rede am 9.4.19 gehalten: 

Verehrter Herr Oberbürgermeister, 

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Freiburg ist zweifellos eine schöne, eine attraktive Stadt – ein Ort, an dem man gerne lebt und ein Ort, der für viele Menschen Teil ihrer persönlichen Zukunft werden soll. Wir alle, die wir heute in diesem Raum sitzen, dürfen uns glücklich schätzen, in und für Freiburg arbeiten zu dürfen.

Gleichwohl dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, dass Freiburg in vielerlei Hinsicht am Scheideweg steht und dass Anspruch und Wirklichkeit politischen Handelns immer weiter auseinanderdriften. 

So reden wir beispielsweise gerne über die Revolution der Digitalisierung und haben – auch mit unserer Zustimmung – ein eigenständiges Amt dafür gegründet – Doch schon die Diskussion über die Digitalisierung in Schulen zeigt, wie fremd das Thema für viele noch ist. Deutschland an sich ist ja bereits in grundlegenden Fragen wie der Existenz auskömmlicher Bandbreiten weit abgeschlagen. Die Niederlande, die Schweiz, Polen, ja selbst Albanien sind uns meilenweit voraus, wenn es z.B. um Datendurchsatz im Mobilfunk geht. Und in Freiburg glauben wir ernsthaft, es würde reichen, die Schulen erst in 10 Jahren mit dringend benötigter digitaler Infrastruktur auszustatten? Interessanterweise konnte mir bei der Vorstellung im Schulausschuss niemand die Frage beantworten, welche Bandbreiten denn überhaupt in den Schulen realisiert werden. Stattdessen standen bei der Verwaltung Aspekte im Zentrum, ob man denn alle WLAN-Router im Unterricht schnell und leicht abschalten könnte. Wer aber schon vor dem Einschalten nur an das Abschalten denkt, wer sich nicht mit der Leistungsfähigkeit der eigenen Netze beschäftigt oder wer Google mit Bildung verwechselt, der ist noch ganz weit weg davon, das Thema Digitalisierung zu verstehen. Wir Freie Demokraten wollen kollaboratives Lernen fördern und Bildungsangebote schaffen, in denen Wissens- und Kompetenzvermittlung die Grenzen des Klassenzimmers verlassen – dazu muss es bei der Infrastruktur jedoch schneller gehen. 

Beim Verkehr brüsten wir uns in Freiburg gerne mit dem tollen Verhältnis beim Modal Split und dem großen Anteil an ÖPNV und Radverkehr. Ehrlicherweise sollten wir aber vielmehr kommunizieren, dass die Anzahl an Kraftfahrzeugen immer noch Jahr für Jahr wächst.  Und  die Verwaltung sollte eingestehen, dass unser Straßensystem längst an seine Grenze gekommen ist und nicht mehr beliebig neue Kraftfahrzeuge verträgt. Wachsender Stress im Verkehr und die Zunahme von Konflikten zwischen Verkehrsteilnehmern senken dabei die allgemeine Lebensqualität. Daher brauchen wir aus Sicht der Freien Demokraten endlich so gute Angebote, dass die Menschen aus freien Stücken auf ein eigenes Auto verzichten. Nur wenn wir es schaffen, ein Mobilitätsangebot zu unterbreiten, was besser, günstiger und effizienter als der Kauf eines eigenen Autos ist, werden wir die Menschen für einen Umstieg begeistern und gewinnen können. Dazu bedarf es beispielsweise einer Carsharingstrategie, die ihren Namen auch verdient. Die Aufstellung eines Bebauungsplans für Carsharingparkplätze mag für die Verwaltung Ausdruck höchster Innovationsfreude gewesen sein, für einen dynamischen Markt hingegen ist sie eher Gift. Lassen wir es an der Stelle doch zu, dass sich neue Angebote entfalten und neue Ideen etablieren können. 

Zur Verkehrswende gehört auch das Thema Elektromobilität. Bezeichnend für Freiburg ist, dass diese bislang quasi nur hinter verschlossenen Schranken auf Parkplätzen der Verwaltung stattfindet. Die Bevölkerung hingegen geht weitgehend leer aus. Dabei bieten doch gerade Elektrobikes und ganz neuartige Elektrogefährte die Chance, konventionellen Kraftfahrzeugverkehr insbesondere beim Pendlerverkehr zu ersetzen. Dafür braucht es endlich eine darauf ausgelegte Infrastruktur samt ausreichender Ladepunkten sowie neuartiger Konzepte, z.B. einer „Park and Bike“ Strategie. Auch beim ÖPNV sieht es noch mau aus. Während Städte wie Hannover bereits einen Fahrplan für den kompletten Umstieg auf Elektrobusse bis 2023 haben, fährt bei uns noch nicht einmal ein einziges Fahrzeug der neuen Generation. Und wer das Thema Luftreinhaltung ernst nimmt, der kommt doch gar nicht an lokal emissionsfreien Elektroautos vorbei. Aufgrund ideologischer Hürden kommen wir an dieser Stelle aber keinen Schritt vorwärts. Weder gibt es Anreize in Form kostenlosen Parkens für Elektroautos, noch gibt es eine nennenswerte Anzahl an Ladepunkten, noch gibt es Pläne, das Thema ernsthaft anzugehen, wie das lieblose und blasse Elektromobilitätskonzept der Stadt Freiburg zeigt. Eine innovative Stadt aber, die sich zudem Green City schimpft, wäre gut beraten, sich diesem Zukunftsthema zu stellen. 

Denn auch für erfolgreichen Klimaschutz wird die Verkehrswende ein entscheidender Schlüssel sein, zumal der CO2-Ausstoß im Verkehr weiter wächst. Schon deshalb müssen wir uns an der Stelle neu orientieren. Die Digitalisierung kann dazu ein entscheidendes Bindeglied zwischen Ökologie und Ökonomie sein. Der Einsatz von Blockchaintechnologie im Energiemarkt, smart grids, in denen z.B. Elektroautos mit bidirektionalen Ladesäulen als Stromspeicher fungieren oder KI-gesteuerte Verkehrsleitsysteme sind Beispiele, wie man Klimaschutz durch technische Innovationen befördern und gleichzeitig wirtschaftlich agieren kann. Unverständlich hingegen ist, dass es uns trotz aller gesellschaftlichen Bekenntnisse zum Klimaschutz nicht gelingt, die Hürden und Widerstände für den dringend benötigten Ausbau der Windkraft zu senken bzw. abzubauen oder bereits vorhandene Speichertechnologie für die Unterstützung der regenerativen Energien einzusetzen, um deren Wirtschaftlichkeit zu verbessern. 

Und gerade beim Thema Wirtschaft haben wir großen Nachholbedarf. Nicht erst seit der Dietenbachdebatte wird das Unternehmertum in dieser Stadt immer wieder von politischer Seite diskreditiert. Schon kurz nach der Amtseinführung ließ sich der neu gewählte OB dazu hinreißen, bei der Realisierung des Baugebiets Kleineschholz einen Ausschluss von gewinnorientierten Unternehmen zu fordern. Dass wir aber freie Unternehmen in unserem Land haben, die Gewinne erwirtschaften, ist nicht nur Triebfeder unseres Erfolgs, sondern eine fundamentale Säule der sozialen Marktwirtschaft. Eine Verwaltung baut keine Häuser, sie bäckt keine Brötchen und sie produziert keine Güter. Es ist vielmehr die freie Wirtschaft, die den Wohlstand dieses Landes und auch unserer Stadt sichert. Wir sollten aufhören, immer mehr in eine Stimmung zu verfallen, in der jeder Unternehmer als raffgierig und egoistisch dargestellt wird. Gerade die vielen Familienbetriebe und inhabergeführten Unternehmen in Freiburg sind es, die durch Erzielung und Reinvestierung von Gewinnen Arbeitsplätze sichern, die Steuern zahlen und Innovationen voranbringen. Es ist eine Binse – aber jeder Euro, den wir ausgeben, muss vorher erwirtschaftet werden. Ohne leistungsfähige Wirtschaftseinheiten wären wir hier in diesem Haus überhaupt nicht in der Lage, all die Zuschüsse und Unterstützungen für soziale und kulturelle Projekte aufzubringen, die vor allem in Wahlkampfzeiten so gerne verteilt werden. Statt immer neuer finanzieller Belastungen und Anfeindungen verdient die Wirtschaft vielmehr Wertschätzung und Schützenhilfe. Angesichts der großen Konkurrenz potenter Internetunternehmen braucht es ein neues Denken für die Innenstadt. Kunsthandwerk, Einzelhandel und regionale Gastronomie werden nur in einer starken und lebendigen Innenstadt überleben. Dazu bedarf es neuer kultureller Konzepte mit mehr Veranstaltungen, eine Optimierung der Erreichbarkeit, aber auch Mut zu verkaufsoffenen Sonntagen, z.B. im Jubiläumsjahr. Darüber hinaus gilt es, die gesamtwirtschaftlichen Fragen der Stadt in all ihren Facetten, von der Dienstleistung über das Handwerk bis hin zum produzierenden Gewerbe, in den Fokus der Politik zu rücken und die Wirtschaft, aber auch den Tourismus, in den politischen Ausschüssen abzubilden. Wirtschaft allein ist zwar nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts.  

Auch bei den Megathemen Wohnungsnot und Dietenbach haben wir in Form von 40% Ja-Stimmen beim Bürgerentscheid zu spüren bekommen, wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Neben einem allgemeinen Unbehagen gegenüber Wachstum und neben zahlreicher diffuser Ängste waren es auch die politischen Botschaften, die zu Misstrauen geführt haben. Die Bevölkerung hat manchmal ein besseres politisches Gespür als viele hier denken. Nicht alle lassen sich ein X für ein U vormachen. So wünschenswert die gebetsmühlenartig vorgebrachte 50% Quote auch sein mag, so unwahrscheinlich ist es, dass diese erreicht werden kann. Mehr Bescheidenheit und mehr Ehrlichkeit wären an dieser Stelle besser gewesen. 

Genauso widersinnig ist es, so zu tun, als könnten wir ein Projekt wie Dietenbach stemmen, ohne Grundstücke zu verkaufen und alles über Erbpacht laufen zu lassen. Und natürlich braucht es für das Projekt auch leistungsfähige Bauträger und ein Heer aus Handwerksfirmen. Anstatt diesen allein den schwarzen Peter für hohe Baukosten und teure Mieten zuschieben zu wollen, sollten sich die Verantwortlichen an die eigene Nase fassen und zugestehen, dass immer neue Bauvorschriften, steigende Steuern und die fehlende Ausweisung von Flächen den größten Teil zu steigenden Mieten beigetragen haben.  Hören wir also auf, die Bevölkerung für dumm zu verkaufen. 

Und das git auch für die Haushaltssituation. Obwohl viele Indikatoren darauf hindeuten, dass die Konjunktur sich eintrübt und die Zeit steigender Steuereinnahmen vorbei ist, soll angesichts der bevorstehenden Kommunalwahl die große Party des Geldausgebens unvermindert weitergehen. Schon die Stadtverwaltung hat einen inakzeptablen Haushalt vorgelegt, der trotz gewaltiger Einnahmen die Grenzen der Genehmigungsfähigkeit auslotet. Doch maximale Verschuldung, maximale Verpflichtungen in die Zukunft und gewaltige Verpflichtungen aus der Vergangenheit schrecken weder Verwaltung noch Gemeinderat. Fröhlich werden heute sogar noch ein paar Millionen obendraufgesattelt – nur die Generationengerechtigkeit bleibt dabei auf der Strecke. Stattdessen wird auf Teufel komm raus im hier und jetzt konsumiert und unsere Kinder sollen dann die Zeche für die Party zahlen. Oft tönt das Wort Nachhaltigkeit durch diesen Raum und verkommt bei den Finanzen doch nur zu einer leeren Worthülse. 

Knapp 1,4 Milliarden Euro Schulden hat der Finanzbürgermeister für 2022 in Aussicht gestellt und damit eine gewaltige Last, die Freiburg nicht wird stemmen können. Heute ist das allen noch egal, denn heute geht es nur um Wählerstimmen. Aber, Herr Breiter, und damit wende ich mich direkt an Sie. Ich weiß, dass auch Sie um die Notwendigkeit der Entschuldung in guten Zeiten wissen, um für schlechte Zeiten gerüstet zu sein. Oft haben Sie auf Beispiele wie Stuttgart oder Offenburg verwiesen, die es schaffen, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Für solide Finanzen braucht es aber mehr als nur Lippenbekenntnisse. Ich erwarte von Ihnen im positiven Sinne, dass Sie künftig mehr Durchsetzungskraft an den Tag legen und nicht mitansehen, wie die Freiburger Finanzen gegen die Wand fahren und dass wir dort, wo Geld fehlt, mehr auf Methoden wie crowdfunding oder social entrepreneurship, aber auch Bescheidenheit setzen, anstatt grenzenlos neue Schulden zu machen. 

Und Herr Oberbürgermeister, zum Schluss, wir beide haben unter anderem eines gemeinsam, wir sind beides Väter junger Kinder und für diese wünsche ich mir eines. Ich wünsche mir, dass wir unseren Kindern mehr als nur Schulden vererben.

In diesem Sinne lehnen die FDP-Stadträte den vorgelegten Haushaltsplan ab.

Vielen Dank

Beitragsbild: pickingpok (ID678340321) / shutterstock.com

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