Auffällig oft stößt man in den vergangenen Monaten in den Medien auf das Stichwort der europäischen Armee. Dabei ist diese Idee alles andere als neu. Schon 1950 forderte der französische Ministerpräsident Pleven im so genannten Pleven-Plan die Errichtung einer solchen Armee, damals allerdings noch aus Sorge vor einem militärisch wiedererstarkenden Deutschland. Diese Sorge hat sich allerdings als unbegründet herausgestellt, denn seit Jahren ist die Bundeswehr schon hinreichend damit beschäftigt, sich gegen den Verfall der eigenen Ausrüstung zu stemmen. Das geht inzwischen so weit, dass die deutschen Soldaten laut einem aktuellen Spiegelbericht im Ernstfall nicht einmal mehr ihren Bündnispflichten in vollem Umfang bei der Nato nachkommen könnten, weil Flugzeuge, Boote oder Panzer schlicht nicht einsatzfähig sind. Dass unser Staat seine rein zu Verteidigungszwecken konzipierte Armee derart vernachlässigen kann, ist jedoch zugleich auch ein positives Zeichen dafür, dass direkte militärische Bedrohungen quasi entfallen sind und ein möglicher Verteidigungsfall auf deutschem Boden zumindest derzeit glücklicherweise als höchst unwahrscheinlich angesehen wird.
Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass die internationalen militärischen Herausforderungen in den letzten Jahren bedauerlicherweise eher zu- als abnehmen und dementsprechend die Liste der Auslandseinsätze stetig wächst. Ob im Kosovo, in Somalia oder in Afghanistan, deutsche Soldaten sind weltweit anzutreffen. Deutschland hat sich dabei inzwischen zu einem internationalen Bündnispartner entwickelt, dem man einerseits Vertrauen entgegenbringt, von dem man aber andererseits auch immer häufiger militärische Hilfe und die Übernahme von Verantwortung einfordert. All diese Einsätze und Operationen sind sinnvollerweise stets eingebettet in einen supranationalen Verbund aus vielen Staaten, zum Beispiel im Rahmen der Vereinten Nationen, der Nato, oder der EU. In Europa ist es kaum mehr vorstellbar, dass einzelne Staaten ohne gegenseitige Konsultation, Abstimmung und Koordination militärisch aktiv werden. Doch trotz vieler Jahre der intensiven und vertrauensvollen militärischen Zusammenarbeit, trotz der positiven Erfahrungen mit grenzüberschreitenden militärischen Einheiten, fehlt immer noch der politische Mut, mit der Gründung einer echten europäischen Armee den nächsten Schritt zu machen.
Dabei bietet ein solches Projekt viele Vorteile, von denen hier nur die wichtigsten genannt seien:
1. Friedenssichernd
Europa ist weit mehr als nur ein wirtschaftlicher Verbund von Staaten mit einer gemeinsamen Währung. Angesichts zahlreicher Kriege und vieler militärischer Auseinandersetzungen zwischen europäischen Staaten durch die Jahrhunderte hinweg war die Errichtung der EU auch immer ein Projekt zur Sicherung eines dauerhaften Friedens. Nie mehr sollte ein europäischer Staat einen anderen angreifen. Eine europäische Armee würde diesen Friedensprozess zementieren. Denn wenn die Staaten auf vollständige eigene Armeen verzichten, militärische Kompetenzen und Ausrüstungen abgeben bzw. teilen und Kommandostrukturen schaffen, die nur im Verbund und unter Einbeziehung der europäischen Ebene wirksam sind, dann wird es schlicht technisch nicht mehr möglich sein, dass ein Land ein anderes angreifen kann.
2. Identitätsstiftend
Während die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Verflechtung in Europa auf der einen Seite unaufhaltsam voranschreitet, haben die letzten Jahre vor allem auch mit Blick auf die Eurokrise auf der anderen Seite gezeigt, dass es bis zu einer politischen Union noch ein weiter Weg ist. Eine europäische Armee könnte dabei ein zentrales identitätsstiftendes Element sein. Denn wenn die Soldaten einzelner Länder in den internationalen Einsätzen in einer gemeinsamen Struktur Hand in Hand arbeiten, sich gegenseitig ihr Leben anvertrauen und sich nicht länger nur als nationale, sondern auch als europäische Soldaten begreifen, dann könnte das als Keimzelle einer europäischen Identität fungieren. Und wenn die einzelnen Nationalstaaten militärische Souveränität an die europäische Ebene zumindest teilweise abtreten, kann dies letztendlich den europäischen Reformprozess befördern und auch einer gemeinsamen europäischen Verfassung den Weg ebnen.
3. Ökonomisch
Wenn man bedenkt, dass derzeit 28 europäische Staaten immer noch unabhängig voneinander eine komplette militärische Infrastruktur vorhalten mit Ministerien, Verwaltungsapparaten, Ausrüstungen, Waffensystemen und allem, was dazu gehört, dann sieht man sofort das enorme Rationalisierungspotenzial. Allein durch die gemeinsame Beschaffung, Nutzung und Instandhaltung von militärischem Gerät lassen sich europaweit Milliardenbeträge einsparen. Wie bereits oben erwähnt, scheint ein Land wie Deutschland gar nicht mehr finanziell in der Lage zu sein, seine eigene militärische Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Dies ist aber angesichts der gemeinsam zu bewältigenden Aufgaben auch gar nicht mehr nötig.
4. Effizient
Der Faktcheck EU in Zeit online untermauert die intuitive Annahme, dass eine europäische Armee deutlich effizienter wäre als 28 einzelstaatliche Armeen. Die bisherigen Militärausgaben in Europa stehen dabei in keinem guten Verhältnis zur eigentlichen Leistungsfähigkeit. Zurecht wird außerdem kritisiert, dass die europäischen Staaten ohne Hilfe und Unterstützung der US-Streitkräfte in vielen Bereichen nicht einsatzfähig sind. Eine europäische Armee ohne 28-fache Redundanzen könnte eine enorme Effizienzsteigerung erfahren und damit auch unabhängiger werden. Einzelne Länder könnten sich zum Beispiel auf einzelne Aufgaben konzentrieren und spezialisieren, die dann von anderen Ländern nicht übernommen werden müssen.
Bei all diesen offensichtlichen Vorteilen darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade die nationalen Armeen für viele einen hohen emotionalen Wert besitzen. Es wird nicht von heute auf morgen gelingen, die bestehenden Truppen in eine einzige europäische zu überführen. Dies wird, wie von dem ehemaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung zurecht in der Zeitschrift The European ausgeführt, in kleinen Schritten geschehen müssen. Jung verweist dabei auf die Möglichkeiten des Pooling und Sharing und die Notwendigkeit einer dualen Konzeption, bei der zumindest für eine gewisse Zeit eine europäische und nationale Armeen noch nebeneinander bestehen müssen, um den Prozess zu bewältigen.
Trotzdem ist die Errichtung einer europäischen Armee ein lohnenswertes und erstrebenswertes Ziel, um einerseits Europa weiter zusammenzuführen und andererseits auf die leider immer noch vorhandenen militärischen Herausforderungen in der Welt angemessen reagieren zu können. Es ist daher an der Zeit, dass wir in Deutschland dieses Ziel parteiübergreifend in den Fokus rücken und gemeinsam in Europa dafür werben.
Thomas Härringer
28. September, 2014Ich bin für eine europäische Arme, fürchte allerdings, dass diese an Deutschland scheitert. Wenn Engländer und Franzosen Verantwortung in der Welt übernehmen möchten werden sie (zu Glück) nicht monatelang warten bis sich der Bundestag irgendwie dazu durchringt ein weichgespültes Mandat zu erteilen oder deutsche Soldaten aus Schlüsselpositionen abzieht. Wenn wir eine europäische Arme möchten, dann muss die Befehlsgewalt auch bei Europa und nicht bei nationalen Parlamenten liegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir es schaffen das Grundgesetz entsprechend zu ändern.
Alex Schindler
28. September, 2014Dieser dümmste von den zahllosen degenerierten Beiträgen aus, von und mit der FDP schiebt mich über den Rand. Wie ein wahrhaft liberal eingestellter Mensch diesen widerlich antidemokratischen, antiliberalen, intransparenten, korruptionsverseuchten, privilegienverteilenden Molloch namens Europäischer „Union“ zu unterstützen vermag, ist wirklich jenseits meiner Vorstellungskraft. Aber klar, drückt dem Leviathan auch noch ’ne Sense in die Hand.
Good Riddance, FDP, RIP. Hier komme ich, AfD … .
Martin Cammerer
1. Oktober, 2014Aber, aber Herr Schindler, sie sind mit ihrer Ansicht doch schon längst über den Rand der Gesellschaft selbst gegangen. Ich als liberaler bin bei solchen Kommentaren froh, dass es die AfD gibt, damit die FDP wieder D I E liberale Partei, die freiheitliche Partei werden kann, die sie einst unter Walter Scheel war.
Die Argumente von Sascha kann ich sehr gut nachvollziehen. Vieles darin scheint aus heutiger Sicht noch gewagt, aber es handelt sich um eine Zielsetzung, die durchaus erstrebenswert und erreichbar ist.