Während man der baden-württembergischen FDP gelegentlich nachsagt, inhaltlich eher konservativ zu agieren, hat sie sich auf dem kleinen Parteitag in Bad Krozingen von einer geradezu revolutionären Seite gezeigt. Zunächst diskutierte man über das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und verabschiedete erwartungsgemäß eine wohlwollende Resolution, die die Chancen und Vorteile des Abkommens für Europa betonte. Im Anschluss daran wurden die nicht behandelten Anträge vom Dreikönigsparteitag besprochen und hier gab es handfeste Überraschungen. So wurde unter anderem mit großer Mehrheit der Antrag „Liberal braucht Mut“ mit wenigen Änderungen verabschiedet, der nun von den Südwestliberalen auf dem nächsten Bundesparteitag eingebracht wird.
Darin bekennt sich die FDP unter anderem zu einer „Politik der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft, die mit liberalen Konzepten die Ziele der Gerechtigkeit und Teilhalbe verfolgt und die dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet ist.“ Mittels einer effektiven „Kontrolle des Finanzsektors […], um den eigenverantwortlichen Bürger vor unredlichen Methoden der Finanzbranche zu schützen“, sollen die Lehren aus der Finanzkrise gezogen werden. Neu ist auch der Ansatz, dass man sich nun explizit auf die „Gerechtigkeitstheorie und Gerechtigkeitspraxis der Freiheit in Gemeinschaft (Rawls)“ beruft. Gerade in Zeiten von Pegida & Co. lässt weiterhin aufhorchen, dass die FDP in diesem Antrag die „Gewährleistung eines weltanschaulich neutralen Staates […]“ einfordert, was die Befürworter einer Trennung von Kirche und Staat freuen wird und zugleich ein neues programmatisches Feld eröffnet. Die Forderung nach einer „Offenen Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle Lebensformen“ stellt zudem eine klare und unmissverständliche Abgrenzung zu manch konservativen und populistischen Kreisen dar. Der Wunsch nach einem förderalen „Europa mit einer echten Verfassung“, die häufigen Rückbezüge auf die FDP als originäre Menschenrechts- und Bürgerrechtspartei und auch die „Ablehnung von Rüstungsexporten an Menschenrechtsunterdrücker“ in dem Beschluss sind eine zusätzliche scharfe Trennlinie zu rechtsgerichteten Kräften wie der AFD.
Die reformierte FDP will gemäß ihres neuen Leitbilds mutig, optimistisch und empathisch auftreten und dazu ist dieser jüngste Beschluss ein wichtiger erster Schritt. Denn die FDP tut gut daran, die soziale und ökologische Komponente des Liberalismus wieder zu betonen, anstatt sich auf rein ökonomische Fragen zu verengen. Dazu passt auch, dass der Landesvorsitzende Michael Theurer in seiner Rede in Bad Krozingen den aktuellen politischen Kurs der CDU scharf attackierte und die Eigenständigkeit der FDP hervorhob. In einem Bericht des Focus verwies er sogar auf Schnittmengen mit SPD und Grünen und erteilte damit voreiligen Koalitionsaussagen eine klare Absage.
Erfreulich war auch, dass die Jungen Liberalen sich damit durchgesetzt haben, einen Fehler aus der Vergangenheit zu korrigieren. So spricht sich die FDP nun gegen Alkoholverkaufsverbote aus, die sie noch in der letzten Regierung auf Druck der CDU mittragen musste.
Somit präsentierte sich die FDP auf diesem Landeshauptausschuss inhaltlich reformfreudig, eigenständig und zukunftsorientiert. Wenn sich dieser neue Kurs auch im Landtagswahlprogramm und im Auftreten der Kandidaten niederschlägt, dann wird die FDP bei der Landtagswahl wieder punkten können.
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