von Sascha Fiek und Patrick Evers
Als der Freiburger Gemeinderat am 19. Mai 2015 mit den in diesem Fall entscheidenden Stimmen der FDP-Stadräte beschlossen hat, dass künftig bei neuen Bauprojekten die Hälfte der entstehenden Einheiten auf den geförderten Sozialwohnungsbau zu entfallen habe, gab es nicht zuletzt aufgrund der verkürzten Medienberichterstattung hörbare Proteste. Die Baubranche unkte, dass nun der Wohnungsbau vollständig zum Erliegen kommen werde und manche Mitglieder und Sympathisanten der Freien Demokraten befürchteten, dass bei deren Stadträten der Sozialismus ausgebrochen sei. Deswegen lohnt sich ein Blick auf das, was wirklich passiert ist und vor allem auf das, was endlich passieren muss.
Zunächst einmal ist der Beschluss eher symbolischer Natur, da er kaum Auswirkungen haben wird. Er würde wenn überhaupt nur dort greifen, wo neue städtebauliche Verträge abzuschließen sind. Bereits geplante Projekte, der Bau kleinerer Einheiten (z.B. nach §34 BauGB) oder Gebiete mit bestehenden Bebauungsplänen werden überhaupt nicht erfasst. Zudem wurde auf Betreiben der FDP in den Antrag mit aufgenommen, dass die Stadtverwaltung jederzeit Ausnahmen veranlassen kann, nur muss sie diese eben begründen und vom Gemeinderat bestätigen lassen. Und genau hier liegt der Grund für die gespielte Aufregung der Verwaltungsspitze. Dass die 50% geförderter Wohnungsbau nicht zuletzt dank der Möglichkeit einer indirekten Förderung, bei der im Rahmen eines Bauprojektes an anderer Stelle geförderte Wohnungen nachgewiesen werden können, realisierbar sind, zeigt das Beispiel Gutleutmatten. Dort wurden die 50% beschlossen und niemanden hat das wirklich interessiert oder aufgeregt. So lag die Nachfrage der Bauträger und Baugruppen weit über dem zur Verfügung stehenden Angebot an Flächen. Schon daran zeigt sich, dass keineswegs ein Ende der Bautätigkeiten befürchtet werden muss. Salomon war vielmehr deshalb sauer, weil er davon überrascht wurde, sich nicht wie üblich auf die Abnickerschaft im Gemeinderat verlassen zu können. Plötzlich war sein Wille in der Frage des Wohnungsbaus nicht mehr Gesetz und die versammelten Stadträte wagten es, einen eigenen Weg zu gehen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch die anderen Fraktionen einen 50%-Beschluss vorgelegt hatten, nur mit dem Unterschied, dass diese die Entscheidung im Einzelfall der Verwaltung überlassen wollten und die andere Seite die Entscheidung eben dem Gemeinderat übertragen hat. Insofern war sich sogar der gesamte Gemeinderat in dem grundsätzlichen Ziel, dass es 50% geförderten Wohnungsbau geben müsse, in gewisser Weise einig.
Nun werden aber immer noch zu Recht diejenigen, die auf die Kräfte des Marktes setzen, fragen, wie man überhaupt dazu kommt, staatlicherseits oder in diesem Fall von Seiten des Gemeinderats mehr und mehr Eingriffe über solche Quotenfestlegungen vornehmen zu wollen. Hierbei gilt es, das Prinzip von Ursache und Wirkung zu beachten. Denn die Ursache liegt nicht in den aktuellen Beschlüssen, sondern in der jahrelangen Untätigkeit der Verwaltung als eigentlich unzulässigem Markteingriff. Obwohl seit vielen Jahren erkennbar ist, dass die Nachfrage nach Wohnungen drastisch wächst und dem kein adäquates Angebot gegenübersteht, hat es die Verwaltung fatalerweise versäumt, neue Flächen für Wohnungsbau auszuweisen. Dies wäre die originäre Verantwortung von Salomon und seiner Verwaltung gewesen, die stattdessen eine künstliche Verknappung des Angebots herbeigeführt hat. Alle Warnungen über die absehbaren Entwicklungen und alle Prognosen über die künftige Nachfrage nach Wohnungen wurden bis zum heutigen Tag in den Wind geschlagen und ignoriert. Erschwerend kam hinzu, dass durch die in der Vergangenheit beschlossenen baulandpolitischen Grundsätze mit überzogenen Vorgaben zum Beispiel im Bereich der energetischen Kriterien das Bauen an sich schon massiv verteuert wurde. Weiterhin wurden über viele Jahre hinweg weder von der Freiburger Stadtbau noch von den Baugenossenschaften auch nur annähernd eine hinreichende Zahl an geförderten Wohnungen gebaut, so dass es gerade für Menschen mit niedrigen Einkommen immer schwerer wird, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu finden, was sich an der stetig wachsenden Zahl von Menschen in der Notfallkartei zeigt. Damit war es in erster Linie die Stadtverwaltung, die die Kräfte der sozialen Marktwirtschaft ausgehebelt hat.
Erst sehr spät erkannte der Gemeinderat, auf welch soziale Katastrophe Freiburg hier zusteuert, da die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen wohnungspolitisch längst unter die Räder gekommen waren und sich nur noch das Luxussegment halten konnte. Auf Initiative von FDP, SPD, CDU und Freien Wählern wurde dann immerhin das Kommunale Handlungsprogramm Wohnen auf den Weg gebracht, um nun endlich wieder verstärkte Wohnbauaktivitäten in Freiburg zu erhalten. Doch auch dieses Programm ließ Salomon in den Mühlen der Bürokratie zermalmen, so dass es heute weitgehend als gescheitert angesehen werden muss. So liegen nach wie vor alle angestrebten Bebauungsplanverfahren auf Eis oder wurden zu den Akten gelegt. Diese Sturheit der Verwaltung oder deren scheinbarer Wunsch, das Problem der Wohnungsnot einfach aussitzen zu wollen, führte daher nun in der Wirkung zu solchen marktwirtschaftlich und eigentumsrechtlich durchaus kritikwürdigen Beschlüssen wie eben der Vorgabe nach 50% Sozialwohnungsbau.
Somit diente das zweifelsohne erörterungsbedürftige Abstimmungsverhalten der FDP-Stadträte in erster Linie dazu, Salomon und seinen Verwaltungsapparat aus der wohnungspolitischen Lethargie zu reißen und sie zum Handeln zu zwingen. Auch nach diesem Beschluss sitzt die Verwaltung natürlich am längeren Hebel und kann sich weiterhin im Nichtstun ergehen, aber zumindest wird es jetzt schwerer, wenn sie weiß, dass sie den Gemeinderat nicht nach Belieben an der Nase herumführen kann.
Gleichwohl bleibt das Ziel der Freien Demokraten die Rückkehr zu sauberen Lösungen der sozialen Marktwirtschaft und zu einem Einstieg in die Beseitigung der sozialen Not. Aus diesem Grund treten die Freien Demokraten in Freiburg vor allem für folgende vordringliche Punkte ein:
1. Eine schnelle Ausweisung neuer Flächen für den Wohnungsbau und die Bereitschaft der Verwaltung, dafür auch neue und ungewöhnliche Wege zu gehen, anstatt immer nur vorschnell „Nein“ und „Unmöglich“ wie im Fall des Rieselfelds West zu sagen.
2. Erhöhung des Eigenkapitals der Freiburger Stadtbau um zweimal 5 Millionen Euro wie bereits in den Haushaltberatungen von der FDP vorgeschlagen.
3. Überarbeitung und Entschlackung der baulandpolitischen Grundsätze, um Bautätigkeiten wieder günstiger werden zu lassen.
4. Umsetzung des kommunalen Handlungsprogramms Wohnen wie unter http://www.freiburg.de/pb/site/Freiburg/get/417642/Handlungsprogramm_Wohnen.pdf dargestellt.
Wenn auf diese Weise endlich der benötigte Wohnraum geschaffen wird, müssen weiterhin alle Instrumente, die nicht den marktwirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen, wie zum Beispiel Zweckentfremdungsverbote oder künstliche Quotenregelungen, abgeschafft werden.
Adalbrt Häge
5. Juni, 2015Ich bin froh, dass jetzt doch eine Debatte zumindest ihren Anfang genommen hat – mal sehen, wie weit das tragen kann bei er durchgängig von der Verwaltung betriebenen Verweigerung, auf Argumente einzugehen. Ich fürchte, der Gemeinderat muss noch einige Male „zeigen wo der Hammer hängt“, wie es die BZ (mal ausnahmsweise richtig) formuliert hat.
Herzl Grüße, A. Häge
Daseking
5. Juni, 2015Die Wahrung der „Sozialen Stabilität“ in unseren Städten ist eine der großen , wenn nicht sogar die wichtigste Zukunftsaufgabe, der wir uns alle zu stellen haben. Die Vorgehensweise, um dieses Ziel zu erreichen kann – von Stadt zu Stadt – sehr unterschiedlich sein. Die Notwendigkeit einer zeitnahen Lösung allerdings nicht!
Die Erfahrung – insbesondere auch aus andern Städten der Republik – zeigt, dass ohne Inanspruchnahme städtischer Flächen – bzw. von Flächen, auf die eine Stadt unmittelbaren, direkten Zugriff hat – dieses Ziel niemals erreicht werden kann.
Das vorgelegte Papier wird hoffentlich eine öffentliche Debatte beflügeln.
Mit freundl. Gruß WULF DASEKING