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Köln und die schleichende Trumpisierung

Wenn Donald Trump in die amerikanischen Fernsehkameras poltert und pöbelt, fragt sich der geneigte Zuschauer manchmal fassungslos, wie ein derart verwirrter politischer Geist in einer solchen Nation salonfähig sein und als Präsidentschaftskandidat in Betracht kommen kann. Doch auch der Blick nach Deutschland zeigt, dass wir vor solchen Tendenzen nicht gefeit sind. Die Ereignisse in Köln sind Zeugnis dafür, wie leicht Politik und Medien der Versuchung erliegen können, in emotional aufgeheizter Stimmung bedenkenlos an den Grundfesten unserer Republik zu rütteln.

So überbieten sich seit Tagen Politiker fast aller Couleur leichtfertig in immer drastischeren Forderungen nach Verschärfung der Gesetze, nach Abschiebungen, nach einer flächendeckenden Videoüberwachung oder nach verdachtsunabhängigen Personenkontrollen. Die tragischen Geschehnisse der Silvesternacht werden dabei insbesondere von konservativen Kräften und denen des rechten politischen Rands ausgenutzt und instrumentalisiert, um schamlos die sowieso schon angespannte Lage zu verschlimmern und daraus für sich selbst noch Profit zu schlagen.

Jede einzelne begangene Straftat in dieser Nacht muss genauso verfolgt und geahndet werden wie solche zu jedem anderen Zeitpunkt an jedem beliebigen Ort in unserem Land. Niemals vergessen dürfen wir allerdings, dass Straftaten von einzelnen Menschen und nicht von deren Herkunft, Geschlecht oder sonstigem begangen werden. Und am Schluss ist es auch der einzelne Mensch, das Individuum, das für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wird und nicht dessen Herkunft oder sozialer Status.

Es gibt einige eherne Grundsätze unserer Rechtsstaatlichkeit, die zu den größten Errungenschaften unserer Republik überhaupt zählt. Dazu gehört nicht nur, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, sondern auch, dass deren Verfehlungen in einem geordneten Verfahren ermittelt und schlussendlich beurteilt werden. Es verbietet sich daher von selbst, einzelne Menschen oder gar ganze Bevölkerungsgruppen vorzuverurteilen, noch bevor überhaupt ein einziges Ermittlungsverfahren abgeschlossen, geschweige denn ein einziges Strafverfahren eröffnet oder beendet worden ist. Nur aus Wut und einem Gefühl der Ohnmacht heraus Flüchtlinge, Migranten oder andere in solchen Fällen zu bezichtigen und sie schlussendlich pauschal als potenzielle Straftäter einzuordnen, ist ungerecht und falsch. Denn es gibt in allen sozialen Schichten, in allen Geschlechtern, in allen Altersgruppen, in allen Staatsangehörigkeiten etc. Menschen, die Straftaten begehen. Und ein von einem Deutschen begangenes Sexualdelikt ist dabei nicht anders zu bewerten als das eines Menschen einer anderen Staatsangehörigkeit.

Zum heutigen Zeitpunkt, acht Tage nach besagter Silvesternacht, gibt es nur allenfalls vage Vermutungen, welche Delikte von wem gegenüber wem begangen wurden. Politik und Medien sind gut beraten, die Untersuchungsergebnisse und die Verfahren abzuwarten, bevor sie sich in Aktionismus ergehen. Denn die deutschen Möchtegernnachwuchstrumps, die auf allen Kanälen Zeter und Mordio schreien, vergiften nicht nur die Stimmung in diesem Land, sie legen auch die Axt an unseren Rechtsstaat mit ihrem Treiben. Schon die Einführung der Vorratsdatenspeicherung war ein großer Fehler. Wenn jetzt auch noch die Videoüberwachung und die verdachtsunabhängigen Personenkontrollen zu alltäglichen Begleitern werden sollen, verlieren wir weiter an Freiheit und überlassen uns einem immer weiter ausufernden Überwachungsstaat.

So schlimm einzelne Ereignisse auch sein mögen, so wichtig ist es, gerade in solchen Phasen besonnen zu bleiben. Aus vermeintlichen Ermittlungs- und Vollzugsdefiziten darf dabei nicht die Notwendigkeit nach einer Verschärfung der Gesetze abgeleitet werden. Und wir dürfen nicht zulassen, dass der Rechtsstaat auf dem Altar des Populismus geopfert wird. Den liberalen Kräften dieses Landes kommt daher nun eine besondere Verantwortung zu. Denn sie sind es, die stets den Rechtsstaat gegen den Mob verteidigen müssen.

 

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