Gekränkte Eitelkeit wird oft nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für deren Umgebung zum Problem. Im Fall Seehofers könnte sogar die politische Stabilität eines ganzen Landes aus den Fugen geraten. Lange Zeit gefiel sich sich Seehofer in der Rolle des Dampfplauderers, der mit dem Maßkrug in der Hand die Stimmung in den Bierzelten aufheizte, gegen Ausländer, gegen Merkel und einfach gegen alles, was über sein Verständnis von einer bayrischen Weltanschauung hinausging. Doch je schriller seine Töne wurden, desto mehr stärkte er die vermeintliche politische Konkurrenz und wurde somit zum Steigbügelhalter der AfD. Böse Zungen behaupten gar, dass der Stammtischhorst für seine Verdienste zum Ehrenmitglied der AfD ernannt werden könnte. Seehofer hatte dabei anscheinend nicht beachtet, dass quasi jedes Prozent, das er fahrlässig den noch weiter rechts angesiedelten Kräften zuschusterte, seiner CSU Prozentpunkte kostete und er somit seinen eigenen Niedergang einleitete. Söder musste erst gar nicht mehr richtig mit dem politischen Dolch zustechen, um den bereits durch eigenes Versagen taumelnden Ministerpräsidenten zu beerben.
Bis zuletzt träumte Seehofer wohl noch davon, eines Tages in die Rolle seines Freundes Viktor Orbán schlüpfen zu dürfen und in Autokratenmanier über Bayern oder ganz Deutschland zu herrschen, ohne sich um manch demokratischen, pluralistischen und rechtsstaatlichen Ballast scheren zu müssen. Als er jedoch erkennen musste, dass sein Stern unweigerlich am sinken war, wollte er vermutlich wenigstens noch seine Erzfeindin Merkel mit in den Abgrund mitreißen. Denn da sein Charakter wenig Platz für Selbstkritik lassen dürfte, war es angenehmer, sich einen Sündenbock zu suchen, dem man die Schuld für den eigenen Niedergang in die Schuhe schieben konnte und dafür war Merkel das passende Objekt. Doch alles Poltern und Krakeelen in der Flüchtlingsfrage verfing nicht und erst mit der Causa Maaßen hat Seehofer, mehr zufällig als beabsichtigt, einen Hebel gefunden, um Merkel und die ganze Regierung in ernsthafte Gefahr zu bringen.
Nicht erst seit Chemnitz stand der Präsident des Verfassungsschutzes in der Kritik und war ganz offensichtlich untragbar geworden. Doch mit einem zugegebenermaßen klugen und perfiden Schachzug konnte Seehofer diese Situation rücksichtslos für seine Zwecke ausnutzen, um maximalen Schaden anzurichten. Maaßen von seinen Aufgaben als Präsident des Verfassungsschutzes zu entbinden, ihn aber gleichzeitig zum Staatssekretär zu befördern und als Sahnehäubchen obendrauf einen anerkannten Staatssekretär von der SPD in den einstweiligen Ruhestand zu schicken , lässt auch hartgesottene Politikbeobachter so fassungslos wie ratlos zurück. Merkel und die SPD wurden dadurch regelrecht Matt gesetzt und müssen sich nun den Vorwurf des Gipfels der Instinktlosigkeit gefallen lassen. In dem Bestreben, die brüchige Koalition mit letzter Kraft und mit einer nicht zu vermittelnden Personalrochade aufrecht zu erhalten, haben Merkel und die SPD zu einem völlig falschen Mittel gegriffen und unterschätzt, dass Seehofer kaltlächelnd das Ende der Regierung in Kauf nimmt, da sein eigener Abgang nur noch eine Frage der Zeit ist und spätestens mit der Bayernwahl besiegelt sein dürfte.
Die permanente Demütigung der Sozialdemokraten ist durch das Absägen von ihrem Staatssekretär nun an einem Punkt angekommen, dass diese kaum länger stillhalten können, wenn sie sich nicht der totalen Selbstverleugnung hingeben wollen. Und auch Merkel wird in ihren eigenen Reihen kaum noch jemandem erklären können, wie es zur Beförderung Maaßens kam, geschweige denn, dass dies der Bevölkerung gegenüber vermittelbar wäre. Auch eine sofortige Entlassung von Seehofer würde an diesem Punkt wohl keine Linderung mehr verschaffen und zudem das definitive Aus der Regierung bedeuten.
Damit tritt der eigentliche Fehler von Angela Merkel zu Tage, nämlich dass sie Horst Seehofer allzuoft in seinem destruktiven Treiben hat gewähren lassen und ihn schließlich sogar noch in ihr Kabinett geholt hat. Wer sich aber eine solche Laus in den Pelz setzt, darf sich am Ende allerdings auch nicht wundern, wenn es dann schiefgeht. Dem Politrabauken aus Bayern dürfte es jedenfalls gefallen, wenn es ihm noch gelingt, die Regierung zu sprengen, bevor er selbst gegangen wird.
Beitragsbild: Freud, Horst Seehofer November 2015, CC BY-SA 3.0
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